Verstirbt jemand in einem anderen Staat als der Bundesrepublik, kommen regelmäßig unterschiedliche Fragen zur rechtlichen Bewertung des Erbfalls auf. Eine der wichtigsten, zu Beginn der Erbabwicklung zu klärenden Fragen ist die nach dem Recht, nach welchem die erbrechtlichen Fragen zu beurteilen sind. Hierbei ist in unterschiedlicher Hinsicht zu unterscheiden:
- Welches Recht ist für die Wirksamkeit eines Testaments oder Erbvertrags maßgeblich?
- Welches Recht ist anzuwenden, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat?
- Welches Recht entscheidet über die Nachlassabwicklung in den unterschiedlichen Staaten?
- Welches Recht ist für die Erteilung eines Erbscheins entscheidend?
In diesem Beitrag soll auf die Frage der formellen Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen eingegangen werden.
Was bedeutet formelle Wirksamkeit?
Formelle Wirksamkeit klärt die Frage, ob das Testament oder der Erbvertrag ungeachtet seines Inhalts Anwendung findet. Hierdurch ist noch nicht geklärt, welchen Inhalt eine letztwillige Verfügung hat oder nach welchem Recht die darin getroffenen Regelungen sich richten. Es ist ausschließlich geklärt, ob die letztwillige Verfügung Anwendung findet, nicht dagegen, was dieses genau regelt.
Sollte eine letztwillige Verfügung unwirksam sein, findet die gesetzliche Erbfolge Anwendung. Über die Wirksamkeit von Testamenten oder Erbverträgen entscheidet das zuständige Nachlassgericht.
Das Haager Testamentsformabkommen
Die Frage nach der formellen Wirksamkeit wird durch das Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (kurz: Haager Testamentsformabkommen) vom 05. Oktober 1961 beantwortet. Dieses Abkommen ist in Deutschland am 01. Januar 1966 in Kraft getreten.
Kanada und die USA sind keine Vertragsstaaten des Haager Testamentsformabkommens. Das bedeutet, dass diese Staaten sich dem Abkommen nie angeschlossen haben. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es in diesen Fällen nicht auf das Haager Testamentsabkommen ankommen kann, im Gegenteil: es bedarf für die Anwendbarkeit keiner Gegenseitigkeit. Kanadisches oder US-amerikanisches Recht kann nach den Regelungen des Abkommens dennoch maßgeblich sein und somit zur Anwendung kommen.
Welches Recht bestimmt, ob die letztwillige Verfügung wirksam ist?
Das Haager Testamentsformabkommen regelt verschiedene Anknüpfungspunkte für die Formgültigkeit des Rechts:
- Ort der Errichtung der letztwilligen Verfügung
- Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder zum Tode
- Wohnort des Erblassers zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder zum Tode
- Gewöhnlicher Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder zum Tode
- Hinsichtlich Immobilien, der Belegenheitsort.
Dabei muss das Testament nur nach einer der Rechtsordnungen, die nach diesen Kriterien in Betracht kommt, wirksam sein. Sollte ein Erblasser beispielsweise als deutscher Staatsangehöriger dauerhaft in der kanadischen Provinz Ontario gelebt haben, ist das von ihm errichtete Testament bereits dann wirksam, wenn es nach dem Recht von Ontario formell wirksam ist. Ob es zugleich nach deutschem Recht wirksam ist, ist dann ohne Bedeutung.
Bei Staaten wie Kanada und den USA ist zudem zu beachten, dass diese sog. Mehrrechtsstaaten sind. Das bedeutet, dass sie für unterschiedliche Rechtsgebiete nicht immer eine übergeordnete, einheitliche Rechtsregelung haben wie beispielsweise Deutschland. In beiden Staaten gibt es kein einheitliches Erbrecht, sondern es wird in der jeweiligen Teilrechtsordnung von den einzelnen Provinzen und Bundesstaaten geregelt.
Wir bei SNP Canada Ltd. haben uns seit vielen Jahren auf das deutsche Erbrecht und die Besonderheiten grenzüberschreitender Erbfälle spezialisiert. Aufgrund dieser Erfahrung beraten wir Sie gerne zu der Maßgeblichkeit deutschen Rechts und den hieraus folgenden Konsequenzen in einem individuellen Beratungsgespräch.